Tag gegen Gewalt an Frauen | Orange Day
Der 25. November ist der Tag gegen Gewalt an Frauen. Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Ein Thema, das in der Gesellschaft viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.
Drei starke Frauen
Die Vereinten Nationen verabschiedeten im Jahr 1999 eine Resolution, die den 25. November offiziell zum „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ machte. Die traurige Geschichte dahinter handelt von drei starken Frauen, welche in der Dominikanischen Republik gegen die Diktatur unter Rafael Trujillo sich zur Wehr setzten. Die drei Schwestern wurden entführt, vergewaltigt und gefoltert. Nach monatelanger Misshandlung wurden sie am 25. November 1960 getötet. Dieses tragische Ereignis gab Anlass, dass seit 1981 Frauen weltweit an dem Todestag der Schwesten auf Gewalt gegen Frauen und Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Menschenrechtsorganisationen organisieren Veranstaltungen, die die Themen Zwangsprostitution, sexualisierte Gewalt, Sextourismus, Vergewaltigung ebenso wie Genitalverstümmelung, Häusliche Gewalt und Zwangsheirat ins Zentrum rücken.
Gewalt gegen Frauen ist eine Meschenrechtsverletzung
Auch heute ist die Gewalt gegen Frauen eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen. Laut einer Studie der WHO (2017) sind 35 Prozent der Frauen weltweit betroffen. Egal wo, egal in welcher Kultur, körperliche und seelische Verletzungen von Frauen sind weltweit Alltag. Betroffen sind Frauen aller sozialen Schichten und jeden Alters. Es ist kein Phänomen anderer Kulturen oder vergangener Zeiten. Gewalt gegen Frauen ist traurige Realität für viel zu viele – mitten in der Gesellschaft. Laut polizeilicher Kriminalstatistik ist jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal im Leben Gewalt durch den Partner ausgesetzt. Und Kriminalstatistiken stellen lediglich die angezeigten Straftaten dar, die bundesweite Statistik der Frauenhauskoordinierung zeigt auf, dass viele Frauen, die Gewalt durch ihren (Ex-)Partner erleiden, diese nicht zu Anzeige bringen. Diese Fakten zeigen, wie wichtig der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ ist. Ein Thema, das zu viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.
Wo fängt Gewalt gegen Frauen an?
In Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Die Realität sieht jedoch anders aus. Mysogynie, Sexismus und Antifeminismus sind noch immer strukturell in der Gesellschaft verankert. Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Sie beginnt damit, dass Frauen alltäglich angemacht werden, mit frauenfeindlicher Sprache, Witzen und Beschimpfungen oder auch ungefragt gesendeten Fotos von Geschlechtsteilen. In dem Moment wo Frauen ihre persönliche Freiheit eingeschränkt sehen, bestimmte Situationen gemieden werden müssen, um nicht Belästigungen, Demütigungen, sozialer Kontrolle, Stalking oder jeglicher Form von physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein, fängt Gewalt gegen Frauen an. Laut Istanbul-Konvention wird Gewalt gegen Frauen definiert „als eine Menscherechtsverletzung und eine Form der Diskrimierung der Frau verstanden und bezeichnet alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben“. Häusliche Gewalt bezeichnet nach Artikel 3 der Istanbul-Konvention „alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte“.
Formen der Gewalt
Häusliche Gewalt
Eine der am stärksten verbreiteten Formen der Gewalt gegen Frauen ist die häusliche, bzw. partnerschaftliche Gewalt. Gerade weil diese Form der Gewalt zu Hause stattfindet, an dem Ort, der eigentlich ein Schutzraum sein sollte, ist diese extrem belastend, sowohl körperlich als auch psychisch, und kann in verschieden Formen auftreten. Das Spektrum der partnerschaftlichen Gewalt reicht von der ökonomischen, psychischen, emotionalen, körperlichen und sexualisierten Gewalt bis hin zum Femizid.
Sexualisierte Gewalt
Noch heute werden viele Formen der sexualisierten Gewalt gesellschaftlich als „typisch männliches“ Verhalten gesehen. Hingegen ist entscheidend, wie sich die betroffene Frau in der Situation fühlt. Jede Art von sexueller Handlung, zu der eine Frau nicht zugestimmt hat oder die Einwilligung nicht gegeben kann, ist sexuelle Gewalt. Hierzu gehören sexualisierte Belästigung, Vergewaltigung, Corrective rape, Rape Culture und auch Victim Blaming.
Menschenhandel
Millionen Mädchen und Frauen werden weltweit Opfer dieser schrecklichen Menschenrechtsverletzung und fast drei von vier Frauen, die diesem Schicksal unterliegen, werden sexuell ausgebeutet.
Gewalt in der Geburtshilfe
Laut WHO umfasst Gewalt in der Geburtshilfe „körperliche Misshandlung, tiefe Demütigung und verbale Beleidigung, aufgezwungene oder ohne ausdrückliche Einwilligung vorgenommene medizinische Eingriffe (darin eingeschlossen die Sterilisation), Missachtung der Schweigepflicht, Nichteinhaltung der Einholung einer vollumfänglich informierten Einverständniserklärung, Verweigerung der Schmerzbehandlung, grobe Verletzung der Intimsphäre, Verweigerung der Aufnahme in medizinische Einrichtungen, [sowie] Vernachlässigung von Frauen unter der Geburt, was bei diesen zu lebensbedrohlichen, vermeidbaren Komplikationen geführt hat (…)“ (WHO 2015: 1).
Zwangsheirat
Zwangsheiraten betreffen häufig Frauen, die noch keine 18 Jahre alt sind und werden von den Vereinten Nationen als eine „moderne Form der Sklaverei“ bezeichnet. Zwangsheiraten werden immer immer unfreiwillig und gegen den Willen der Frau geschlossen.
Weibliche Genitalverstümmelung
Diese Praktik der Gewalt gegen Frauen wird seit Jahrtausenden praktiziert und heutzutage auf allen Kontinenten vollzogen. Die weibliche Genitalverstümmelung umfasst alle Verfahren, die die teilweise oder vollständige Entfernung der weiblichen äußeren Genitalien oder deren Verletzung zum Ziel habe. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies aus kulturellen oder anderen nicht-therapeutischen Gründen geschieht.
Online- oder digitale Gewalt
Digitale Gewalt (auch: Cyber violence) umfasst eine Vielzahl von Angriffsformen und lässt sich nicht getrennt von „analoger“ Gewalt betrachten. Häufig stellt sie eine Ergänzung oder Verstärkung gewaltvoller Handlungen dar, die im realen Leben bereits passieren. Die anonyme Vorgehensweise und verschiedenen Möglichkeiten digitaler Kommunikation erleichtern die Angriffe. Die Formen umfassen Cybermobbing, unaufgefordertes Sexting, Doxing, Revenge Porn, Cyber-Stalking und Deep Fakes.
Corona und Gewalt gegen Frauen
Aufgrund der Corona-Pandemie steigt laut Berichten von Frauenhäusern, Beratungstellen und Hilfstelefonen die Gewalt gegen Frauen im häuslichen Umfeld, seit dem Frühjahr 2020. Krisen verstärken generell alle existierenden Ungleichheiten. Das trifft auch auf die durch COVID-19 ausgelöste Krise zu. Da Frauen in allen Gesellschaften zu den benachteiligten Gruppen gehören, trifft diese die Folgen der Pandemie besonders stark. Existentielle Sorgen, Quarantäne und eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit tragen zusätzlich dazu bei, dass Frauen schlechter vor häuslicher und sexueller Gewalt geschützt sind.
Wie kann betroffenen Frauen geholfen werden?
Es gibt kein typisches Opferverhalten, jede Frau geht unterschiedlich mit der erlebten Gewalt um und die Verantwortung für den Übergriff liegt immer zu 100% bei dem Täter. Egal, was die betroffene Frau gesagt, getan oder getragen hat, Schuld ist immer die übergriffige Person.
Frauen, die von Gewalt betroffen sind, können sich bei allen Fragen an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ wenden. Das Hilfetelefon stellt den Kontakt zu Unterstützungseinrichtungen in der Nähe her. Verwandte, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte können sich ebenso beraten lassen. Des weiteren sind Frauenhäuser Anlaufstellen für Betroffene.
Was jede*r sich bewusst machen muss: Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache.
Wichtig ist es, nicht wegzuschauen, sondern Zivilcourage und Solidarität zu zeigen, sich selbst über Hilfsmöglichkeiten zu informieren und Betroffenen Hilfe zu ermöglichen.
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