Dresden und seine Versammlungen
Wir sind ja vieles gewohnt, haben uns innerhalb der letzten über 5 Jahre Stück für Stück die eigentlich im Gesetz verankerte Versammlungsfreiheit auch auf der Straße erkämpft. Was aber in den letzten Wochen im Rahmen des Versammlungsgeschehens abläuft, ist ein Rückschritt in die Zeiten von 2015.
In Dresden muss man keine Versammlungen mehr anzeigen. Man darf seit Ende April, wann immer man möchte, sich ohne die Beachtung irgendwelcher Regeln des Infektionsschutzes ansammeln, durch die Stadt ziehen. Rassist*innen, Verschwörungstheoretiker*innen, Impfgegner*innen, Aktivist*innen der einheimischen Neonaziszene, Solidarität mit der Holocaust-Leugnerin Haverbeck Übenden eine Bühne bieten. Wenn das große Thema passt: Corona leugnen. Das ist, nach Aussage des Innenministers Wöller ok und natürlich alles total friedlich. Hat man besonders in Plauen und Chemnitz gesehen. Hat am Herrentag u.a. in der Sächsischen Schweiz super geklappt.
Und mal ehrlich, warum müssen Linke auch kurzfristig eine Kundgebung zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus anzeigen? Nur weil am Montag davor die Regeln für Versammlungen etwas gelockert wurden und die Kundgebung überhaupt möglich wurde? Warum müssen sie einen Tag vor dem Herrentag dreist mit einer Versammlungsanzeige für den darauf folgenden Samstag um die Ecke kommen, nur weil die Seebrücke europaweit für ein menschenwürdiges Leben für alle einsteht? Warum müssen die sich gegenüber dem Amtsgericht ohne Anzeige versammeln, weil da ein Prozess gegen Menschen läuft, die mit einem schlüssigen Nutzungskonzept in der Hand seit Jahren leerstehende Häuser besetzen? Und warum können die Pegida nicht einfach in Ruhe lassen? Das sind schließlich die, die das Vorrecht auf die schönen Plätze der Innenstadt haben.
Da kann man schon mal vorab als Behörde schauen, was sich so einschränken und unterbinden lässt. Der Neumarkt ist da schon mal mit 300 Coronaleugner*innen komplett überfüllt. 500 Teilnehmende bei Pegida füllen dem Altmarkt. Da kann man die Auflage „Runter vom Platz“ schon mal bringen. Den Rest vor Ort regeln die Beamt*ìnnen der Polizei.
Die können am 08. Mai schon mal damit drohen, dass wenn der 51. Teilnehmende da ist, die Beschallung runtergedreht wird. Selbstverständlich hatten sie nur das große Ganze im Blick, als sie am 18.05. erstmal ganz oben fragen mussten, ob 5 stadtbekannte Personen des linken Spektrums mit zu Pegida auf den Altmarkt dürfen. Und da geht auch die Ansage „Wenn Sie jetzt eine Pfeife rausholen, fliegen Sie vom Platz“ voll in Ordnung. Man macht sich, wenn Corona-Rebell*innen unterwegs sind „nicht zum Affen“ und lässt sie gewähren. Da braucht es auch keine Kameras. Aber die braucht es, wenn die Seebrücke mit einer Kundgebung auf dem Platz ist.
Gestern am Amtsgericht wurden wir zu einer Versammlungsanzeige genötigt. Das haben wir sportlich genommen. Das Thema passte wohl nicht so recht. Dass bei den jungen Leuten vor Ort auch mal ein paar spitze Bemerkungen über die Staatsmacht kommen, damit musste man rechnen und hätte auch gelassen damit umgehen können. Da nichts von dem Gesagten auch nur im Ansatz unter der Gürtellinie war, ist das ein Minimum, das ich bei Beamt*innen mit Berufserfahrung voraussetze. Schließlich vermittle ich als Versammlungsleiterin auch so, dass der Ton angemessen bleibt. Völlig überflüssig war der Versuch, der Versammlung zum Schluss den Versammlungscharakter abzusprechen und mit den vor Ort zusammengezogenen Kräften zu drohen. Diese waren nicht zu übersehen und wie meine Begleitperson richtig bemerkte, vollkommen überflüssig.
Damit alle, die sich jetzt angegriffen fühlen, wissen, wen sie ansprechen müssen: Ich bin Rita Kunert und bedanke mich, dass ich diese wunderbare Seite für ein Statement nutzen durfte.
Gastbeitrag von:
Rita Kunert
Rita Kunert organisiert immer wieder Demos und Gegendemos in Dresden. mehr dazu…