Aufmarsch durch Freiberg – Polizei ist beim Gegenprotest
Ende November und Anfang Dezember schaffte es die sächsische Kleinstadt Freiberg an jedem Montagabend in die Nachrichten. Innerhalb weniger Wochen kristallisierte sich Freiberg als eine Art Hochburg der Corona-Proteste heraus.
Nach wochenlanger starker Zurückhaltung der Polizei bei den als Spaziergängen beworbenen Aufmärschen durch die Innenstadt, zeigte man bei entsprechender medialer Präsenz auch ein härteres Vorgehen.
Doch davon war man am Abend des 17.01.2022 weit entfernt. An diesem Montagabend wurden im Stadtgebiet insgesamt 14 Versammlungen angezeigt, darunter auch eine Gegenkundgebung unter dem Motto: „Für ein Miteinander – gegen Corona“. Die Teilnehmenden der anderen Kundgebungen, darunter Versammlungen der AfD, schlossen sich um kurz nach 18 Uhr zu einem Aufmarsch zusammen. Obwohl es im Voraus keine große Mobilisierung gab, schlossen sich dieser Demonstration etwa 1000 Personen an. Bis auf wenige Ausnahmen schienen die Teilnehmenden auch alle aus Freiberg zu kommen. Auch ein paar zum Teil vermummte Neonazis und augenscheinliche Reichsbürger schlossen sich dem Aufmarsch an und liefen Hand in Hand mit Familien und Personen aus dem Gesundheitswesen.
Nachdem in der ersten Hälfte des Aufzuges keine Polizei zu sehen war, zeigte sich beim Passieren des bürgerlichen Gegenprotestes, wo sich die Beamt*innen aufhielten: Die Gegenkundgebung war umstellt von zahlreichen Polizeiwagen, laut Polizei um ein „Aufeinandertreffen“ der Versammlungen zu verhindern. Die rund 1000 Personen zogen ohne Abstand und Maske auch vorbei am Kreiskrankenhaus Freiberg, bevor der Aufmarsch vor dem Albertpark endete und sich langsam auflöste.
Einige offensichtlich betrunkene Männer begannen die wenigen anwesenden Polizist*innen anzupöbeln. Diese verhielten sich sehr passiv und versuchten die Männer freundschaftlich zu beruhigen, nachdem diese die Beamt*innen bereits beleidigt und mehrfach gegen ein Polizeiauto geschlagen hatten. Die Männer nahmen nun die wenigen anwesenden Journalist*innen in den Fokus. Sie begannen eine Reporterin der Sächsischen Zeitung verbal als „Pressefotze“ zu beleidigen. Auch wir wurden unter anderem als „Scheiß Juden“ bezeichnet, bevor ein Mann unseren Begleitschutz angriff.
Die Polizei ging ab diesem Zeitpunkt dazwischen, sah sich aber nicht in der Pflicht, gegen eine der Personen eine polizeiliche Maßnahme durchzuführen. Stattdessen forderte ein Polizist uns auf, unsere Arbeit einzustellen, da die Kamera „unnötig provozieren“ würde. Anschließend kehrte langsam Ruhe in Freiberg ein.
Was bleibt, ist das Gefühl, dass die Politik Gefahr läuft, in Kleinstädten wie Freiberg dauerhaft Teile der Stadtgesellschaft zu verlieren. Gerade die persönlichen Einschnitte in das Leben der Menschen macht es extrem rechten Kräften wie der Kleinstpartei „Freie Sachsen“ umso leichter, die Menschen an sich zu binden. Freiberg scheint leider ein Exempel dieser Entwicklung zu sein.
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