2500 Menschen demonstrieren in Berggießhübel
Viel Polizei sind die rund 1500 Einwohner des Ortsteils Berggießhübel von Bad Gottleuba – Berggießhübel inzwischen gewohnt. Nahezu täglich ist hier in Grenznähe die Polizei auf der Suche nach Schleusern und Geschleusten. Doch jetzt hat ein Gerücht die Runde gemacht: im gut erhaltenem Schloss im Ortskern sollen angeblich „in den nächsten 14 Tagen“ bis zu „80-100 Flüchtlinge“ untergebracht werden, heißt es in einem Flugblatt, das im Ort verteilt wird. Das Schreiben endet mit einem Aufruf: „Wehrt euch (…)“. Nicht lange dauert es und die ersten Demonstrationsaufrufe werden auf Telegramm geteilt. Angemeldet und organisiert wird die Demo – mal wieder – von Max Schreiber („Freie Sachsen“). Der Rechtsextremist fiel in der Vergangenheit mehrfach mit rassistischen Aktionen auf und lässt derzeit keine Möglichkeit aus, gegen Geflüchtete und deren Unterbringung zu hetzen
Am Montagabend betritt Max Schreiber zusammen mit seinen Anhänger*innen die Anlage des Schloss Friedrichsthal. Bis es 19:00 Uhr richtig losgehen soll, ist es noch über eine Stunde hin. Trotzdem sind bereits Dutzende auf dem Gelände und begutachten das Schloss.
Vor dessen Eingangstür steht Waed Arabi. Vor Jahren ist er selbst aus Afghanistan nach Deutschland gekommen, jetzt gehört ihm das Schloss. Arabi ist wütend auf die Stadt und die Rechtsextremen. Er erzählt, dass er das Schloss für 2,4 Millionen Euro gerne verkaufen möchte mit der Stadt könne er sich aber nicht einigen.
Zur Verwendung des Schlosses hätte es viele Ideen gegeben: er drängte darauf, Wohnungen ausbauen zu dürfen, die Stadt wolle das Gelände zur Reha-Klinik
umgestalten. Außerdem hätte die Stadt angefragt, ukrainische Frauen mit Kindern im
Schloss unterzubringen – das sei aber noch nicht entschieden – das Gebäude sei zudem nicht dafür geeignet. Mit ihm als Betreiber gebe es zudem kein Flüchtlingsheim im Schloss: „Wir haben nicht vor hier Flüchtlinge unterzubringen“, erzählt er.
Den CDU-Bürgermeister von Bad Gottleuba-Berggießhübel greift Arabi scharf an und
wirft der Stadt vor, Informationen an die Rechtsextremen durchgestochen zu haben.
Gegenüber MDR SACHSEN hält Bürgermeister Thomas Peter dagegen: „Der Eigentümer hat dem Landkreis das Schloss zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten“, wird er in einem Artikel zitiert.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Unterbringung von Geflüchteten im Schloss offenbar noch lange nicht geklärt scheint, strömten nach und nach Hunderte zur rechten Veranstaltung. Schon bald passten die Teilnehmer*innen nicht mehr auf den Schlossvorplatz – sie überkletterten und entfernten Zäune, um mehr Menschen auf das Gelände zu lassen. Eingeheizt von radikalen Reden, setzten sich die bis zu 2500 Personen gegen 19:30 Uhr in Bewegung.
Nahezu stillschweigend bewegte sich der Demonstrationszug durch die ansonsten menschenleeren dunklen Straßen von Berggießhübel. Angestimmte Sprechchöre verhallten meist schnell und die selbstgebastelte Plakate bekam außer den
Gleichgesinnten niemand zu sehen. Sprüche wie „Asylflut stoppen! Grenzen dicht“ waren darauf zu lesen, Reichs- und Freie Sachsen-Fahnen wurden geschwenkt.
In der gespenstischen Stille waren die explodierenden Böller umso besser zu hören.
Mutmaßliche Demoteilnehmer*innen zündeten sie im Umfeld, vermutlich, um eine
Drohkulisse zu erschaffen.
Keinesfalls unerwähnt sollte bleiben, dass bereits ab 17:30 bis zu 100 Menschen gegen die rechte Demo und für Weltoffenheit demonstrierten. Neben vielen jungen Menschen aus der Region, schlossen sich auch einige Anwohner*innen der Gegenveranstaltung an. Auch die Kirchgemeinde setzte an diesen Abend ein Zeichen gegen den rassistischen Aufmarsch: an einem Friedensgebet nahmen etwa 60 Personen teil.
Auf der anderen Straßenseite wird eine Kundgebung veranstaltet, die sich für eine menschenwürdige Unterbringung einsetzt. An der Demo nehmen viele junge Menschen teil, die ihren Ort nicht so einfach rechten Hetzern überlassen wollen. #soe #sachsen #dd2509 pic.twitter.com/aap99LNGMO
— vue.critique (@vuecritique) September 25, 2023
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