Kritisch bleiben – Abstand halten und Klima schützen! sowie die kritische Begleitung der „Bewegung Leipzig“
Eine Karte der Ereignisse basierend auf dieser Berichterstattung findet ihr hier:
Der Montag ist seit langem nun ein von der Geschichte geprägter Tag diesseits des Grünen Bandes, vor Allem in Leipzig, und vor Allem auf dem Nikolaikirchhof. Leider sehen manche Gruppen dies immer wieder als Anlass, diesen Tag und diesen Ort des Gedenkens an die Befreiung von dem Regime der DDR als Zeichen für völkische, und in diesen Zeiten auch verschwörungsideologische Ideen zu Missbrauchen. Nicht nur, aber auch diesen Montag hat das Bündnis Leipzig nimmt Platz (LNP) dazu aufgerufen sich dem entgegenzustellen. Dieses Mal stand die Veranstaltung im Zeichen der Klimagerechtigkeit. Geladen waren deshalb verschiedene Verbände wie Ende Gelände, Fridays for Future und der Grünen Jugend, um ein Thema anzusprechen, dass aktuell leider auch oft gegen die aktuelle Krise ausgespielt wird – den Klimawandel. Ich war ebenfalls dabei um über die Veranstaltung zu berichten, und anschließend den „Spaziergang“ der „Bewegung Leipzig“ zu begleiten.
18 Uhr, zum Beginn der Veranstaltung von LNP, waren schon einige Menschengruppen auf dem nordöstlichen Nikolaikirchhof eingetroffen. Zu sehen waren auch einige Transparente mit kreativen Sprüchen gegen Aluhutträger, Antisemiten und rechte Verschwurbler, sowie Fahnen einschlägiger antifaschistischer Organisationen.
An die Verlesung der Auflagen schloss sich LNP mit dem ersten Redebeitrag an. Sie stellten gleich klar, was das Ziel der Veranstaltung sein sollte: Verschwörungsideolog_innen den Platz auf der Straße nehmen, und sich für das Recht der friedlichen Versammlung unter Beachtung des Gesundheitsschutzes stark zu machen. Es sollte gezeigt werden, dass beides zusammen gehen kann, auch wenn klar gemacht wurde, dass jede Grundrechtseinschränkung kritisch beobachtet werden muss. Zudem sollte, wie oben bereits angerissen, die Klimakrise, die aktuell oft gegen die Corona-Krise ausgespielt wird, zum Thema gemacht und der Dialog auf die Straße gebracht werden. Demzufolge wurden die weiteren Redebeiträge von Ende Gelände, Fridays for Future und der Grünen Jugend angekündigt.
Als Erstes sprach Ende Gelände Leipzig: sie nehmen klar Stellung gegen Verschwörungsideolog_innen auf der Straße und in der Politik, egal ob in Deutschland (z.B. Hansjörg Müller, MdB und Verschwörungstheoret- ähm- Außenwirtschaftlicher Sprecher der AfD), im Weißen Haus oder der Brasilianischen Regierung. Auch sie rufen auf für Lösungen auf aktuelle Krisen zu kämpfen, die Klima- und Gesundheitsschutz nicht gegeneinander ausspielen.
Um halb sieben begann der Redebeitrag von F4F Leipzig, die von der Renitenz der Stadtbehörden bei Ausgestaltung und Planung neuer, CoronaSchutzVO-gemäßer Aktionsformen im Stadtgebiet berichteten (ich schreibe an dieser Stelle nur Banner und Bau- und Nutzungsrecht). Sie zeigten in ihrem Redebeitrag auf, dass die aktuelle Krise ein Schlaglicht auf die Probleme unseres Kapitalismus wirft, und schließen sich dem Tenor an, dass das Klima im Sinne der Wirtschaftssanierung gerade des öfteren unter den Teppich gekehrt wird. Ich zitiere: „Wir sind dabei, dass 1,5°-Ziel einzureißen.“ Ein weiter so können wir uns laut F4F klar nicht leisten: weder sozial noch ökologisch. Dieses System sei nicht auf klimagerechtes handeln ausgelegt. Nur Kritik am System könne diese Krise beenden.
Die gesamte Veranstaltung von LNP verlief sehr friedlich. Es wurde sich – stets unter Beachtung des Gesundheitsschutzes – gesonnt, den Redebeiträgen gelauscht, und steter Applaus für die Redenden gespendet. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung zum Teil auch von der Sambagruppe der Rhythms of Resistance.
Als letztes hielt die Grüne Jugend ihren Redebeitrag. Sie warnten vor gezielter Desinformation durch Klimaleugner_innen, die von aktuell kursierenden Verschwörungsideologien nur noch weiter befeuert werden, und stellen klar: mit Verbreiter_innen dieser Ideologien zu reden, wie es MP Kretschmer in Dresden versuchte, wird keine Wirkung zeigen, sondern sie nur weiter legitimieren. Sie lobten den Green New Deal der EU, forderten aber auf nationaler Ebene noch viel Bewegung – von Datteln IV über die Kaufprämiendebatte läge hierzulande noch vieles im Argen.
Gegen 19 Uhr wurde die Veranstaltung auf dem Nikolaikirchhof beendet. Große Teile der Anwesenden machten sich auf den Weg zum Augustusplatz, wo bereits ein paar (unter hundert) der Schwurbler – unter vollständiger Missachtung des Abstands- oder Maskengebots – sich eingefunden hatten. Die aus Richtung Innenstadt ankommenden Menschen umstellten in gebotenem Abstand die unangemeldete Versammlung. „Alerta!“ und „Nazis raus!“ rufe waren zu hören. Als sich der „Spaziergang“ zehn nach sieben in Richtung Innenstadt aufmachen wollte, wurden sie an der Mündung zur Grimmaischen Straße vermehrt durch Menschen aus der Menge versucht mit Fahrrädern am Passieren zu hindern. Dennoch kamen Sie nach einigen Versuchen durch. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Situation etwas angespannt und die Polizei sowie die Polizeibehörde der Stadt versuchten zum Teil die sich in der Grimmaischen Straße vermischenden Menschengruppen zu trennen.
In der Grimmaischen Straße wurde dann auch klar, wer vor wem geschützt werden sollte, als die Polizei unvermittelt gewaltsam einen Teilnehmer der Gegenversammlung aus der Menge zerrte. Dies wurde weiter klar dadurch, dass die Polizei im Laufe der Maßnahmen erst auf einen Hinweis einer Teilnehmerin der Gegenversammlung hin beginnen würde die Verstöße gegen den Infektionsschutz durch die „Bewegung Leipzig“ zu ahnden. Auf dem Markt wurde den Schwurblern von Beamten der Weg freigeräumt, die inzwischen mit mehreren Gruppenkraftwagen auf dem Markt, z.T. mit Helm und Schutzausrüstung, angekommen waren.
Auf dem Markt teilte sich ein Teil der „Spaziergänger“ Berichten von Gegenversammlungsteilnehmer_innen vor Ort zufolge auf, und lief weiter durch das Barfußgässchen/den Breuninger. Mit einiger Verspätung trafen weitere Teilnehmer_innen der „Bewegung Leipzig“ auf dem Markt ein und machten sich in Begleitung von Teilnehmer_innen der Gegenversammlung über das Böttchergässchen auf den Weg zum Brühl, wo sie Ecke Reichsstraße ab circa 14:45 von der Polizei eingekesselt wurden.
Dort begannen Polizei und Ordnungsamt damit, die Personalien (zumindest einiger) der Schwurbler wegen Verstoß gegen die CoronaSchutzVO aufzunehmen. Daneben sammelten sich die Gegenverammlungsteilnehmer_innen. Auf „Wo-wo-wo sind eure Masken?“- und „Es gibt kein Recht, das Virus zu verbreiten!“-Rufe aus der Gegenversammlung, welche die Beamten darauf hinweisen sollten, sich selbst an die CoronaSchutzVO zu halten wurde mit mehrfachen Megaphondurchsagen, man solle doch kein solches Theater machen, reagiert. Kurz darauf kamen mehr Polizist_innen hinzu um die Gegenversammlung aufzulösen. Dabei wurde aufgrund einer verbalen Entgleisung einem Beamten gegenüber, ein Teilnehmer von mindestens drei Polizist_innen in voller Schutzausrüstung gewaltsam am Boden fixiert.
Nach einer weiteren Versicherung durch die Beamten, dass die Personalien der „Spaziergänger“ aufgenommen werden würden, machten sich große Teile der Gegenversammlung als Spontandemo (nicht zuletzt der Sicherheit der Teilnehmer_innen zuliebe) zurück auf den Weg zum Augustusplatz. Von dort aus machten sich die meisten Teilnehmer_innen der Gegenversammlung auf den Weg nach Hause, unter anderem da die Polizei trotz der friedlichen Natur der Versammlung und der Einhaltung von Masken- und Abstandsgebot weiterhin stark Präsenz projizierte.
Auch wenn die „Bewegung Leipzig“ letztendlich erfolgreich gestoppt werden konnte, so muss ich hier nochmal darauf hinweisen, dass dies ohne das Engagement der in Leipzig ansässigen zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Bündnisse nicht möglich gewesen wäre. Die Polizei die unangemeldete und dauerhaft gegen die CoronaSchutzVO bis kurz vor Schluss nur begleitet, in Teilen sogar geschützt hat.
Am wichtigsten ist jedoch der Hinweis, dass die „Bewegung Leipzig“/die „Spaziergänger“/die Schwurbler beim besten Willen nicht nur verwirrte Verschwörungsideolog_innen waren (was schon schlimm genug ist). Nein, es waren auch waschechte Neurechte in voller Szenemontur mit dabei. Diese Bewegungen werden immer mehr von rechten Netzwerken unterwandert, und ihnen darf kein Millimeter breit Platz gelassen werden.
Bei #Le1805 gab es zahlreiche dynamische Situationen, Antifa-Gruppen brachten den nicht angemeldeten Aufmarsch der Verschwörungsideologen zum Stillstand. Dort nahmen erneut Neonazi-Gruppen teil. Diesmal ohne Versteckspiel - in Szenekleidung. pic.twitter.com/D4I7gFDPaM
— Henrik Merker 🤝🚿🧼 (@J_MkHk) May 19, 2020
Am Ende des Abends berichteten mir einige der Teilnehmer_innen der Gegenversammlung von einem Gefühl wie in den frühen Tagen der Anti-Legida-Demos. Es bleibt nur zu hoffen, dass die „Bewegung Leipzig“ noch schneller aus dem Stadtbild verschwindet, als Legida zu deren Zeit.
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